Eine neue Ordnung des Arbeitsmarkts – SPD lud zur Diskussion ein

Unter dem Titel „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“ lud die SPD am vergangenen Dienstag in die Forum Gastronomie ein. Referenten der von rund 40 interessierten Bürgerinnen und Bürgern besuchten Diskussionsveranstaltung waren Anton Schaaf, MdB, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales; Prof. Dr. Gerhard Bäcker, Professor für Soziologie an der Universität Duisburg-Essen; Karsten Herbers, evangelischer Pfarrer im Kirchenkreis Herne; Rajko Kravanja, SPD-Stadtverbandsvorsitzender und Udo Behrenspöhler, Vorsitzender DGB Castrop-Rauxel.

Das wesentliche Ziel der Veranstaltung war es, einen großen Bogen zu schlagen – von den Fehlern der Politik in der Vergangenheit über die aktuellen Zustände des Arbeitsmarktes hin zu den Chancen in der Zukunft.

Anton Schaaf machte deutlich, dass die SPD zur Zeit einen Erkenntniszugewinn bezüglich ihrer Agenda-Politik durchmache. Ein großer Fehler sei die Etablierung der Leih- und Zeitarbeit ohne passende Löhne gewesen – Leih- und Zeitarbeit, eigentlich ein Instrument, um Produktions- und Auftragsspitzen abzubauen, würde mittlerweile für billige Arbeitskräfte missbraucht.

„Die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sowie generelle Reformen des Arbeitsmarktes waren damals notwendig – die fehlende Mehrheit im Bundesrat hat uns allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht“, so Anton Schaaf. Das sei allerdings keine Ausrede für die Politik der SPD, die sich „sicherlich auch vom damaligen Zeitgeist der Privatisierung und Liberalisierung hat tragen lassen.“

Fest stand für Anton Schaaf, dass ein neuer Arbeitsmarkt nur mit ausreichender Mitbestimmung, gleiches Geld für gleiche Arbeit sowie einem gesetzlichen Mindestlohn gelingen kann. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten in der Vergangenheit vernünftige Lohnzuwächse gegen eine vermeintliche Arbeitsplatzsicherheit eingetauscht und standen damit gegen den weltweiten Trend.

Prof. Dr. Gerhard Bäcker stellte eine knappe Analyse aus soziologischer Sicht an. So müsse der neue Rekordtiefstand der Arbeitslosenzahlen dringend mit den Schattenseiten betrachtet werden. „Zwar sind die Arbeitslosenzahlen so niedrig wie lange nicht mehr, wenn man sich jedoch die Ordnung des Arbeitsmarkt ansieht, so wurde diese faktisch abgeschafft“, so Bäcker. Mit Blick auf die Hartz IV-Gesetzgebung sagte Bäcker „Arbeitsplätze werden nicht durch Druck von oben geschaffen, sondern durch ökonomische Voraussetzungen“.

Karsten Herbers stellte die Frage, wie man künftig positive Veränderungen umsetzen könne, in den Vordergrund. Man müsse jetzt Verantwortung wahrnehmen und die Mittel des Staates nutzen, die noch verfügbar sind. Auch die Kirchen müssen diese Botschaft stärker nach außen tragen. „Man muss den Menschen wieder befähigen, eigenständig den Weg zu gehen“, so Herbers.

Udo Behrenspöhler lag den Schwerpunkt bei der hiesigen Region und dem dazu gehörigen Strukturwandel. Die Emscher-Lippe-Region, ehemals großer Industrie- und Bergbaustandort, habe zur Zeit mit den wegfallenden Arbeitsplätzen zu kämpfen, die durch Dienstleistungsansiedlungen bisher noch nicht kompensiert werden konnten. Bedingt durch diesen Strukturwandel, aber auch durch die Veränderungen des Arbeitsmarktes, sind die meisten Kommunen Nordrhein-Westfalens in der Überschuldungsfalle angelangt. Aus diesem Dilemma könne nur eine vernünftige Arbeitsmarktreform führen, die die hier lebenden Menschen wieder in eine sozial verträgliche Arbeit führt. „Unser Arbeitsmarkt gehört aufgerüttelt. Aus diesem neoliberalen Wahnsinn soll wieder ein ‚Sozialer Arbeitsmarkt‘ werden“, so Behrenspöhler.

„Ich bin zufrieden mit dem inhaltlichen Verlauf der Veranstaltung“, sagt SPD-Chef Rajko Kravanja. „Es wurden wichtige Knackpunkte angesprochen und auch diskutiert. Die Wortmeldungen der Bürgerinnen und Bürger zeigten, dass die Zermürbung der Arbeitsmarktordnung an die Substanz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht. Es ist deutlich geworden, dass die persönliche Freiheit nur in Verbindung mit Solidarität erreicht werden kann und nicht das neoliberale Modell funktioniert“, so Kravanja.

Die SPD will diesen Abend an den Anfang einer umfangreichen Debatte setzten, die auch bundesweit mit dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende beginnt.