Leitantrag Stadtentwicklung 2015

Antrag A0

Antragssteller: Stadtverbandsvorstand

a.o. Stadtverbandsparteitag am 12.11.2011


Castrop-Rauxel 2015 – Unsere Leitideen für Stadtentwicklung

0. Castrop-Rauxel im Jahr 2011 – Die Ausgangslage

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben mit unserem Wahlprogramm und dem Koalitionsvertrag viele neue Impulse für diese Stadt gesetzt. So haben wir uns als Ersten das Ziel gesetzt, dass wir für den sozialen Zusammenhalt in einem solidarischen Castrop-Rauxel einstehen. Dazu gehört unter anderem die Integration von Migrantinnen und Migranten, eine optimale Bildung für alle und das Projekt „Soziale Stadt Habinghorst”.

 

Zum Zweiten wollen wir den eingeschlagenen Weg einer ökologisch und sozial orientierten Stadtentwicklung in Castrop-Rauxel weiter fortführen. Leitbild für die nächsten fünf Jahre ist die „Klimaneutrale Stadt Castrop-Rauxel“. An diesem Leitbild haben sich alle Vorhaben der Stadtentwicklung und Stadtplanung zu orientieren.

 

Zum Dritten verfolgen wir den Umbau der sozialen Infrastruktur vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Hier gilt es, Angebote für Seniorinnen und Senioren zu schaffen, um ihnen das Leben (und Altwerden) im Ortsteil unter würdigen Bedingungen zu ermöglichen. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch der (rückläufigen) jungen Generation Rechnung tragen. Dies wollen wir mit dem Grundsatz „Qualität statt Quantität“ erreichen. Diesem Gedanken folgt auch mit Blick auf die Zukunft eine Schulentwicklungsplanung mit öffentlichem Beteiligungsprozess.

 

Aller Gestaltungswille in dieser Stadt ist aber stets vor dem Hintergrund der finanziellen Notlage zu sehen, in der wir stecken. Castrop-Rauxel ist seit dem Jahr 2010 in bilanzieller Überschuldung, d. h. das Eigenkapital der Stadt ist aufgezehrt. Deshalb kann nur noch Geld für kommunale Leistungen aufgewendet werden, die absolut notwendig sind und von der Kommunalaufsicht genehmigt werden.

 

Aber es gibt zumindest ein Licht am Ende des Tunnels: Die rot-grüne Landesregierung hat im Gegensatz zur schwarz-gelben erkannt, dass die notleidenden Kommunen den finanziellen Teufelskreis nicht mehr alleine durchbrechen können. Sie hat deshalb einen konkreten Rettungsplan erarbeitet, den „Stärkungspakt Stadtfinanzen”. Das bedeutet kurz gesagt: Erstmalig dieses Jahr 350 Mio. Euro Landesmittel sowie weitere Mittel in den nächsten neun Jahre bis 2020 für 34 überschuldete Kommunen. Im Gegenzug müssen die Kommunen den Haushaltsausgleich bis 2016 schaffen. Eine Kraftanstrengung, von der auch nicht klar ist, ob sie uns gelingt.

Es sind diese engen finanziellen Spielräume, die wir immer als Rahmenbedingungen im Hinterkopf haben müssen, wenn wir hier vor Ort seriöse Politik gestalten wollen, eine Politik, die umsetzbar ist und bei den Menschen ankommt. Deshalb sind wir gezwungen, Schwerpunkte zu setzen. Und zwar inhaltlich genau dort, wo wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zu der Überzeugung gelangen, dass diese Schwerpunkte dazu beitragen können, unsere Stadt langfristig zukunftsfähig zu machen. Denn eine Stadt überlebt heute im harten Standortwettbewerb nicht nur allein durch finanzielle Unabhängigkeit, sie überlebt langfristig nur durch kluge Standortpolitik, durch Alleinstellungsmerkmale und durch Innovation, d. h. durch die Fähigkeit sich selbst zu erneuern. Wir müssen also Zukunftsstrategien entwickeln, die unsere Stadt lebenswert erhalten. So lebenswert, dass junge Familien hier gerne hinziehen und auch kleine und mittelständische Firmen und Unternehmen sich ansiedeln. Nur so wirken wir der Überalterung vor Ort entgegen, nur so garantieren wir Steuereinnahmen, Arbeits- und Ausbildungsplätze und eine lebendige Stadtgesellschaft.

 

Dabei sehen wir uns als SPD in Castrop-Rauxel im Kanon der Ruhrgebietsstädte. Das bedeutet, dass wir regional denken und lokal handeln müssen. Wir haben in unserem Stadtgebiet fast keine Wirtschaftsflächen mehr, die für eine großflächige Lärm und Schmutz verursachende industrielle Ansiedlung in Frage kommt. Entweder ist unsere Wohnbebauung zu nah oder aber wir liegen in Natur- und Landschaftsschutzgebieten. Wir haben in unserer immer besser vernetzten und aufgeklärten Gesellschaft die Belange vieler gegeneinander abzuwägen. So werden bei Ansiedlungen immer wieder die Interessen von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Wirtschaftsinteressen der gesamten Stadtgesellschaft gegeneinander abzuwägen sein. Wir wollen beides: eine starke Wirtschaftsförderung und eine starke Stadtgesellschaft.

 

Zugespitzt betrifft das die Diskussion, ob wir in Castrop-Rauxel Industrie- oder Wohnstadt sind. Beide Begriffe beschreiben Castrop-Rauxel richtig und gleichzeitig unzureichend. Es gilt den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, aber auch potenziellen neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, eine wirtschaftlich starke Stadt zu bieten, die gleichzeitig attraktive Sozial- und Freizeitangebote vorhält. Leider können wir im Rahmen unseres Haushaltes nicht gleichzeitig eine hohe Quantität und eine hohe Qualität erreichen. Daher legen wir in Zeiten des demografischen Wandels vor allem Wert auf Qualität.

 

Die Projektgruppe Stadtentwicklung 2015 der SPD Castrop-Rauxel hat sich in den letzten Monaten intensiv mit möglichen strategischen Zukunftsprojekten auseinandergesetzt und dabei drei inhaltliche Schwerpunkte erarbeitet: erstens „Migrantenökonomie”, zweitens „Kultur und Leben”, drittens „energetische Erneuerung und Stadtwerke”. Diese werden im Folgenden erörtert.

1. Migrantenökonomie

 

Castrop-Rauxel muss sich als Wirtschaftsstandort im harten regionalen Wettbewerb behaupten. Als Standortvorteile gelten die unmittelbare Nähe zu Dortmund, Bochum, Essen, Gelsenkirchen und Recklinghausen sowie die gute Verkehrsanbindung und die zentrale Lage der Stadt. Auch ist es in den letzten Jahren gelungen, die von Bergbau und Industrie verseuchten Flächen vollständig zu sanieren. Größe und Zusammenhang der einzelnen Flächen, die als Gewerbeflächen von der Stadt vorgehalten werden, legen nahe, dass große Industrieansiedlungen hier nicht genug Fläche vorfinden würden, vor allem nicht, wenn sie perspektivisch wachsen wollten. Die Stadt muss sich also auf die Anwerbung von kleinen und mittelständischen Unternehmen konzentrieren. In diesem Segment leistet das Service Center Wirtschaft der Stadt gute Arbeit. Beratung und Service werden von den Unternehmen angenommen, die Bearbeitungszeiten sind vorbildlich und die Vernetzung in der Region funktioniert. Dennoch könnte Castrop-Rauxel mehr Gewerbeansiedlungen gut gebrauchen. Wo also ist das Alleinstellungsmerkmal der Stadt, das Castrop-Rauxel im Standortwettbewerb vor anderen Städten auszeichnet? Anders gefragt, wo können wir als kommunaler Wirtschaftsstandort besondere Akzente setzen? Die Projektgruppe Stadtentwicklung 2015 schlägt dazu vor, auf „Migrantenökonomie” als Markenzeichen zu setzen.

 

Migrantinnen und Migranten stellen nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Unternehmerinnen und Unternehmer ein nicht zu unterschätzendes ökonomisches Potenzial dar. Selbstständige Migrantinnen und Migranten sind längst ein Bestandteil der deutschen Wirtschaftsstruktur geworden und bereichern mit ihrer Interkulturalität auch die Stadt Castrop-Rauxel. Diese interkulturelle Kompetenz in Verbindung mit der Bereitschaft zu unternehmerischer Eigeninitiative und Risikofreude machen selbstständige Migrantinnen und Migranten auch attraktiv für das oft propagierte Leitbild einer neuen Kultur der Selbstständigkeit unter den Bedingungen der Globalisierung und des Strukturwandels. Von diesen unternehmerischen Kompetenzen können auch Existenzgründer aus der Mehrheitsgesellschaft lernen. Neben dem allgemeinen Arbeitsmarkt können die Unternehmen von selbstständigen Migrantinnen und Migranten auch den Ausbildungsmarkt entlasten. Obwohl bisher nur wenige Betriebe von Migrantinnen und Migranten Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, ist die Bereitschaft, diese einzurichten, sehr hoch. Durch gezielte Projekte kann das Ausbildungspotenzial ausländischer Betriebe deutlich gesteigert werden. Gerade junge Migrantinnen und Migranten bringen ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz mit und sind oft mindestens zweisprachig aufgewachsen. Das steigert ihre Flexibilität und Empathie. Die Ausbildungsförderung gerader junger Migrantinnen und Migranten ist zudem ein Weg, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

 

Unternehmen von Migrantinnen und Migranten können auch ein wichtiger Brückenkopf und Türöffner für deutsche Unternehmen sowie weitere Unternehmen aus dem Umfeld der Migrantenökonomie sein. Vor allem mittelständische Unternehmen lassen hier Potenziale brach liegen, die sich aus der Kooperation mit von Migrantinnen und Migranten geführten Unternehmen aus der Nachbarschaft ergeben könnten, z. B. die Erschließung von Absatzmärkten in den Herkunftsländern dieser Unternehmer, oder durch Synergieeffekte auf dem deutschen Markt. Weitere Handlungsoptionen liegen in gezielten Angeboten für Auszubildende mit Migrationshintergrund.

 

Langfristig soll sich Castrop-Rauxel als Standort für Migrantenökonomie etablieren. Das kann nur erreicht werden, wenn alle Einzelmaßnahmen zu einem strategischen Handlungskonzept gebündelt und vor allem auch von den Migrantinnen und Migranten angenommen werden.

 

Erste Schritte in diese Richtung sind vor Ort schon erfolgt. Gerade das professionelle Stadtteilmanagement hat sich als wirksamer Hebel für eine gelungene Integrationsarbeit erwiesen. Mit Projekten wie der „Sozialen Stadt Deininghausen” und ganz aktuell mit der „Sozialen Stadt Habinghorst”, die sehr stark auf professionelles, projektorientiertes und vor allem nachhaltiges Stadtteilmanagement setzen, sind wir in Castrop-Rauxel gut aufgestellt. Außerdem sind die Unterstützung von Migrantenselbstorganisationen und interkulturelle Veranstaltungen nicht zu unterschätzende Faktoren, um das gemeinsame Miteinander zu fördern. Hier sollten wir nicht nachlassen, sondern diesen Weg verstärkt weiter beschreiten.

 

Oberstes Ziel muss es für uns dabei sein, die „Barrieren in den Köpfen” weiter abzubauen und eine Unternehmenskultur in Castrop-Rauxel zu schaffen, die Unternehmerinnen und Unternehmer an einen Tisch bringt – als Castrop-Rauxeler Unternehmerinnen und Unternehmer, unabhängig von der jeweiligen ethnischen Herkunft. Der gemeinsame Austausch vor Ort ist das, was unsere Wirtschaft langfristig nach vorne bringt – die als von der Mehrheitsgesellschaft geprägt wahrgenommenen Wirtschaftsverbände müssen als Ansprechpartner und Organisationsform für alle etabliert werden. Parallelorganisationen können wir uns in diesem Zusammenhang nicht leisten!

 

Um diese Ziele zu erreichen…

1. …wird der sozialdemokratische Bürgermeister im nächsten Jahr mehrere verschiedene von Migrantinnen und Migranten geführte Unternehmen besuchen und dazu weitere Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik einladen. Ziel ist es, eine umfassende Bedarfsabfrage zu erstellen und die Anliegen der Unternehmerinnen und Unternehmer zu bündeln.

2. …werden wir die Maßnahmen der Wirtschaftsförderung mit Vertreterinnen und Vertretern der ausländischen Wirtschaftsverbände besprechen, entsprechend ergänzen und mehrsprachige Formen der Ansprache entwickeln.

3. …werden wir sozialpolitische Maßnahmen ergreifen, um den Familien von Migrantinnen und Migranten die beste Versorgung und Integration zu ermöglichen.

4. …werden wir gesellschaftspolitische Maßnahmen ergreifen, um weiterhin eine Kultur der Einladung in dieser Stadt zu bieten. Nur wenn man das Gefühl hat, willkommen zu sein, wird man auch heimisch werden.

 

2. Kultur und Leben

 

Zur Steigerung der Lebensqualität für die Menschen in unserer Stadt gehört neben einer qualitativ hochwertigen sozialen Infrastruktur auch ein gutes Angebot im Kultur- und Freizeitbereich. Wenn wir es nicht mehr schaffen, die Kultur und das Zusammenleben in unserer Stadt zu fördern, werden wir es auch nicht schaffen, uns im Wettbewerb der Kommunen langfristig zu behaupten und dem demografischen Wandel etwas entgegenzusetzen.

 

Wir als SPD in Castrop-Rauxel stehen für ein ausgewogenes Freizeit- und Kulturangebot. Wir können und wollen nicht mit den großen kulturellen Angeboten in unseren Nachbarkommunen konkurrieren, dennoch ist ein breites Angebot gerade für Kinder und Familien in unserer Stadt unser oberstes Ziel.

 

Dazu gehört es, den Kanal- und Emscherumbau als Chance zu begreifen und die Stadt näher an den Umbau heranzurücken. Die Emscher wird sich in den nächsten Jahren von einer stinkenden offenen Kloake hin zu einem blauen Fluss wandeln. Davon wollen wir profitieren.

 

Wir wollen den begonnenen Umbau der Wartburginsel als Freizeitzentrum stärken und am Kanalschwimmbad festhalten. Ebenso gilt es, den anliegenden Ortsteilen den Wandel zu ermöglichen. Wie können die Menschen bei diesem Jahrhundertprozess konkret mitgenommen werden? Denn die Menschen vor Ort stehen für uns im Zentrum eines offenen Gestaltungsprozesses, den wir mit einem hohen Maß an Bürgerbeteiligung führen wollen. Ein Beispiel hierfür ist es, den Meideraum Emscher als Ort der Begegnung herauszuarbeiten. Dazu wollen wir mit einem Konzert an der Emscher die Perspektiven des Umbaus darstellen und Kultur, Emscher und die Menschen aus den anliegenden Stadtteilen zusammenbringen.

 

Wir wollen auch weiterhin ein buntes kulturelles Leben in Castrop-Rauxel ermöglichen. Dazu gehört es, neben unseren Einrichtungen der Forum GmbH, auch weitere Kulturorte zu schaffen. Daher wollen wir an einer gemeinsamen Nutzung von Wirtschaft und Kultur für den Bunker in der Altstadt festhalten. Der Kulturbunker soll sowohl Orte für bürgerschaftliches Engagement als auch Platz für Ausstellungen von Kultur und Heimat bieten. Unser finanzielles Ziel bei Einrichtung und Betrieb muss dabei aber ganz klar eine schwarze Null sein.

 

Im Rahmen des Kulturforums der Sozialdemokratie ist die Idee einer „Route der Kulturen” entstanden. Diese kleine und schnell umsetzbare Idee kann einen wichtigen Beitrag für die Wahrnehmung unserer kulturellen Aktivitäten bieten. Wir wollen eine (Fahrrad-)Route durch unsere Stadt ausschildern, entlang derer spannende Sehenswürdigkeiten liegen oder wo der geneigte (Rad-)Wanderer einfach die pure Natur genießen kann. In Teilen ergänzt diese Route die Grüne Acht.

 

Ein Mehr an Lebensqualität, wie sie Renaturierung und kulturelle Angebote bieten, ist außerdem ein sogenannter „weicher Standortfaktor”, der im Wettbewerb um junge Familien nicht zu unterschätzen ist. Dafür steht in diesem Zusammenhang auch unsere fortschrittliche Kinder- und Jugendpolitik, die wir in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut haben und die mit dem Konzept „Familienfreundliche Stadt” fest in der Stadtpolitik verankert ist. Gute Beispiele sind hier die Begrüßungsbesuche aller Neugeborenen in Castrop-Rauxel seitens der Jugendhilfe und die Einrichtung von Familienzentren. Aber was bringt junge Familien noch dazu, sich in Castrop-Rauxel niederzulassen? Wo kann hier unser Markenzeichen sein, das uns, neben preiswertem Bauland in gepflegter Umgebung, von anderen Städten abhebt?

 

Die Projektgruppe Stadtentwicklung 2015 hat sich von dem ideenreichen „Dorfstadtkonzept” einer Studentin begeistern lassen, die in Castrop-Rauxel lebt und dieses Konzept ganz auf die Gegebenheiten vor Ort abgestimmt hat. Das „Dorfstadtkonzept” setzt auf die räumliche und soziale Nähe, die Castrop-Rauxel mit ca. 75.000 Einwohnern seinen Bürgern, im Gegensatz zu Großstädten wie Bochum oder Dortmund, bietet. Hier kennen sich noch viele Nachbarn persönlich und der Umgang miteinander ist vorwiegend freundlich und ruhrpottlerisch charmant. Hier setzt das „Dorfstadtkonzept” an. Die Kernidee ist es, dass Bürger vor Ort ihre ganz persönlichen „Sehenswertigkeiten” präsentieren können. Das können Lieblingsorte sein, die als Bereicherung wahrgenommen werden, aber auch kulturelle Angebote, die man seinem Umfeld machen möchte, sei es die Modelleisenbahn im Keller, die eigene „Startrek-Sammlung” oder auch ein gemeinsamer Literaturabend. All diese Angebote werden in einem alternativen Stadtführer, dem „Dorfstadt Guide”, zusammengetragen und veröffentlicht. Für jede „Sehenswertigkeit” gibt es einen Paten. Alle Veranstaltungen gehorchen dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Ziel des Projektes soll es sein, Castrop-Rauxel lebenswerter zu machen, seine Bewohner miteinander zu vernetzen, die Bürger konkret zu beteiligen und das Image der Stadt zu verbessern. Damit das Projekt bis 2015 nicht länger nur auf dem Papier existiert, sondern unseren Alltag ein Stück reicher gemacht hat, möchten wir eine Projektstelle einrichten, die das Ganze professionell aufbaut, koordiniert und die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung leistet.

 

Wenn dieses Projekt gelingt, dann präsentiert sich auf unserer Stadthomepage ein buntes, ein ganz anderes Castrop-Rauxel, und zwar aus dem Blickwinkel der Bürgerinnen und Bürger: Bilder der Stadt, die ihre Einwohner selbst entworfen haben.

 

Zum kulturellen Leben in unserer Stadt gehört aber auch das religiöse und kulturelle Zusammenleben zahlreicher verschiedener Nationen. Ein gegenseitiges Verständnis für den „Anderen” ist eine Grundvoraussetzung dafür. Hier in Castrop-Rauxel sind viele Religionen zuhause – darauf sind wir stolz. Wir wollen unseren Bürgerinnen und Bürgern, Menschen mit verschiedenen Religionen und nicht zuletzt allen Kulturen, einen Ort der Begegnung geben. Hierzu wollen wir uns mit Hilfe der EU, des Bundes und des Landes dafür einsetzen, dass wir in Castrop-Rauxel ein „Haus der Weltreligionen” schaffen können. In Form eines Pentagons erhalten die großen Weltreligionen ihren jeweils eigenen religiösen Ort bzw. Raum, die den zentralen Gemeinschaftsraum der Begegnung umschließen.

 

Um die Attraktivität der Stadt für alle Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen und ihre Lebensqualität spürbar zu steigern, wollen wir…

1. …ein Konzert an der Emscher organisieren, um die Menschen über die konkreten Umbauphasen zu informieren und gleichzeitig die Stadtteile entlang der Emscher an den Fluss heranzuholen.

2. …das Projekt „Dorfstadt Castrop-Rauxel” umsetzen und in der Stadt präsent machen.

3. …im Jahr 2012 für das „Haus der Weltreligionen“ zu einer großen Geberkonferenz bzw. zu einem großen Symposium einladen, um einer Realisierung zumindest näher zu kommen. Hierzu wollen wir verschiedenste Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften, Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger Castrop-Rauxels einladen.

 

3. Energetische Erneuerung und Stadtwerke

 

Das Thema Stadtwerke ist gegenwärtig sowohl in der Öffentlichkeit als auch im politischen Raum vielerorts in der Diskussion. Neben Castrop-Rauxel denken viele Kommunen in Deutschland darüber nach, Konzessionen an kommunale Unternehmen zu vergeben. Dieser Trend zur Re-Kommunalisierung ist derzeit so evident, da ein Großteil der bundesweit auf ca. 20.000 geschätzten Konzessionsverträge bereits derzeit bzw. in den nächsten Jahren ausläuft. Die Konzessionsverträge wurden 1999 von der CDU über einen Zeitraum von Jahren 20 mit RWE verlängert, sodass Ende 2019 die Möglichkeit zur erneuten Entscheidung bei uns gegeben ist. Auch wir Sozialdemokraten haben noch im Jahr 2007 die Option auf einen frühzeitigen Ausstieg aus den Konzessionsverträgen nicht gezogen.

 

Seit der ersten Debatte direkt nach der Liberalisierung der Stromnetze haben sich das Wissen und die Erfahrungen im Umgang mit Stromnetzen bei allen Beteiligten vergrößert, sodass heute bei vielen kommunalen Entscheidungsträgern die Einschätzung durchweg positiv ist. Die kommunalen Unternehmen stellen sich dem freien Wettbewerb und können sich auf dem Markt behaupten.

 

Für die SPD in Castrop-Rauxel steht im Vordergrund, dass Kommunalwirtschaft und privatwirtschaftliche Unternehmen unterschiedliche Zielvorstellungen haben. So sind kommunale Unternehmen grundsätzlich der Gemeinde und somit den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Private Unternehmen hingegen sind in erster Linie ihren Anteilseignern verpflichtet und erfüllen einen Vertrag mit einer Kommune. Unserer Überzeugung nach sollten daher die Betätigungsfelder der Daseinsvorsorge generell in kommunaler Hand bleiben. Wir sehen die Gemeindewirtschaft als Teil der gemeindlichen Leistungserbringung und erst sekundär als Wirtschaftsunternehmen.

 

Wir sehen in Stadtwerken Einflussmöglichkeiten für eine umfassende Energiewende. Bereits 2007 haben wir uns auf dem Weg gemacht als Modellstadt für innovative Energiepolitik die Energiewende einzuleiten. Beispiel: Der Bezug von Ökostrom für alle kommunalen Gebäude. Die großen Energieversorger haben mit ihren Kraftwerksbauten kein wirtschaftliches Interesse, eine dezentrale, umweltgerechte und nachhaltige Energieversorgung aufzubauen. Genau hier liegt aber unser politisches Interesse und die Stärke von Stadtwerken. Die Barrieren für die Einrichtung von Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken sind soweit gesunken, dass sie auch für kleinere Stadtwerke wirtschaftlich darstellbar sind.

 

Wir wollen mit Stadtwerken Gestaltungsspielraum zurückerlangen. So können unter dem Dach der Stadtwerke neben dem Kerngeschäft des Netzbetriebes und der Energiewirtschaft auch verschiedene kommunale Angebote zusammengeführt und betrieben werden. Wir versprechen keine Goldquelle und keine Wunderheilung des städtischen Haushaltes, aber es ist durchaus möglich, mit Stadtwerken wieder ein wenig Handlungsfähigkeit zu erlangen.

 

Wir wollen mit Stadtwerken eine Gemeinwohlorientierung. Wir wollen über Stadtwerke die Auftragsvergabe an bestimmte soziale Mindeststandards knüpfen. Mit einer Bezahlung, die wenigstens dem Mindestlohnniveau entspricht, und einer lokalen Auftragsvergabe, ist es möglich, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt und eine Bezahlung unterhalb einer politisch festgelegten Mindestbezahlung in der Branche beendet wird.

 

Wir wollen mit Stadtwerken mehr kommunale Demokratie ermöglichen. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern einen direkten Einfluss durch ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter und damit einen Wettbewerb der Ideen ermöglichen. Zugleich wollen wir aber auch eine direkte Beteiligung an verschiedensten Projekten ermöglichen und so die Stadtwerke breit in der Stadtgesellschaft aufstellen.

 

Wir wollen mit Stadtwerken Vereine und Bürgerengagement finanziell von den Einnahmen profitieren lassen. Der Gewinn von Stadtwerken bleibt in der Stadt und kommt den Bürgerinnen und Bürgern zugute!

 

Im Stadtrat wurde ein fast einstimmiger Antrag zur Einrichtung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe gefasst. Diese Arbeitsgruppe soll die Beauftragung eines Wirtschaftsunternehmens für den Rat inhaltlich vorbereiten. Damit wollen wir eine möglichst breite Einbindung aller politischen Parteien und der Stadtgesellschaft erreichen.

 

Es gibt eine Grundvoraussetzung dafür, wie dieser Prozess einer möglichen Stadtwerkegründung weitergeht. Ein unabhängiges Wirtschaftsunternehmen muss bescheinigen, dass es sich wirtschaftlich lohnt, weitere Schritte in Richtung Gründung von Stadtwerken zu unternehmen. Dabei reicht uns eine schwarze Null – Verluste durch Stadtwerke darf es für die Stadt nicht geben.

 

Sofern diese Voraussetzung erfüllt ist, gibt es drei Abstufungen für die Errichtung von Stadtwerken. Wir wollen:

 

1. Unser Stadtwerk als Vertriebsgesellschaft

Wir wollen in Kooperation mit einem anderen Stadtwerk aus der Region eine Vertriebsgesellschaft einrichten. Diese Gesellschaft würde der erste Schritt eines Stadtwerkes Castrop-Rauxel sein. Sie würde unter der Marke „Strom der Stadtwerke Castrop-Rauxel” Strom an Kunden in Castrop-Rauxel verkaufen. In dieser Phase würde Strom mit Kooperationspartnern eingekauft und weiterverkauft werden. Wir wollen eine ökologisch nachhaltige Stromversorgung in Castrop-Rauxel erreichen.

2. Unser Stadtwerk als Stromproduzent

Wir wollen gemeinsam mit verschiedenen Bürgerinnen und Bürgern eine Stromproduktion in Castrop-Rauxel aufbauen. Wir wollen eine regenerative Energieproduktion aufbauen und den Strom direkt in der Stadt und darüber hinaus verkaufen und somit eine, soweit möglich, autarke Energieversorgung erreichen. Dazu zählen neben der Energieerzeugung durch Wind die Nutzung von Biomasse, die Errichtung von Blockheizkraftwerken, die Nutzung der Sonnenenergie und weitere nachhaltige Energieerzeugungsformen.

3. Unser Stadtwerk als Netzbetreiber

Die Konzession für das Stromnetz läuft in Castrop-Rauxel am 31.12.2019 aus. Wenn die Voraussetzungen weiterhin positiv sind, wollen wir den Einstieg in den Netzbetrieb mit einem Partner prüfen. Diese Prüfung muss langfristig und mit professioneller Hilfe angegangen werden.

 

Unsere Vision für das Castrop-Rauxel der Zukunft

 

Mit diesen inhaltlichen Arbeitschwerpunkten und Projektideen wollen wir politische Vorstellungen entwickeln und umsetzen, die in die Zukunft weisen und Castrop-Rauxel zu einer Stadt machen, in der die Menschen auch in dreißig Jahren noch gut und gerne leben. Eine lebendige Stadt, eine selbstbewusste Stadt, eine sozialdemokratische Stadt.

 

Der politische Alltag orientiert sich stark an aktuellen Themen und fordert schnelle und pragmatische Reaktionen. Das ist richtig und für das Funktionieren der Arbeitsabläufe essenziell – aber auch kräfteraubend und auf kurzfristige Lösungen angelegt. Deshalb haben wir die Projektgruppe Stadtentwicklung 2015 gegründet, um einen Raum zu bieten, in dem wir – abseits der Tagespolitik – mit Lust und Zeit gemeinsam Ideen für die Zukunft diskutieren und entwickeln können. Denn ohne langfristige Orientierung und politische Zielsetzungen ist irgendwann die Gefahr der Beliebigkeit gegeben. Gute Politik vereint deshalb immer beides: Pragmatismus und Vision.

 

Mit diesem Antrag wollen wir unseren gestalterischen Anspruch als stärkste politische Kraft in Castrop-Rauxel unterstreichen. Wir wollen aufzeigen, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen soll – zunächst bis 2015 mit konkreten Projektideen, Veranstaltungen und Handlungsfeldern, für die unser sozialdemokratischer Bürgermeister federführend die Verantwortung trägt. Aber natürlich enthält dieser Antrag auch Ideen, die weit über die nächsten vier Jahre hinaus die Richtung weisen bzw. die Stadt im besten Sinne prägen werden.

 

Wir setzen darauf, dass unsere Ideen nicht nur von Genossinnen und Genossen mitgetragen werden – sondern auch die Bürgerinnen und Bürger begeistern, für die wir sie entwickelt haben. Denn ohne eine breite Bürgerbeteiligung und ein breites gemeinsames Engagement für diese Stadt, werden unsere Ideen nicht umzusetzen sein. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es”. Dieser Satz aus der Feder Erich Kästners bringt es auf den Punkt: Wir präsentieren mit diesem Leitantrag unsere Zukunftsvorstellungen für diese Stadt. Diskutieren und umsetzen können wir sie nur gemeinsam!